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Der halbe Mann

Dem Leben Beine machen, Mit einem Vorwort von Xavier Naidoo

Erschienen am 17.08.2009
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783579068855
Sprache: Deutsch
Umfang: 192 S., 11 s/w Fotos
Format (T/L/B): 2 x 22 x 14.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Volle Kraft voraus - Lebensmut auch ohne Beine- Mit einem Vorwort von Xavier Naidoo-Ein Lesebuch der besonderen Art-Eine außergewöhnliche Lebensgeschichte, frech und charmant erzählt-Die etwas andere Perspektive auf die Welt und das LebenDer Unfall passierte mit einem Motorrad auf einer Raststätte. Ein LKW überrollte ihn und zerschmetterte seine Beine. Heute, nach unzähligen Operationen und langen Jahren Kampf steht Florian Sitzmann 'mit beiden Beinen im Leben'.Sitzmann liebt Geschwindigkeit und hat ein besonderes Faible für Autos. Mit seinem Lotus unternimmt er Nachtfahrten von Raststätte zu Raststätte und lässt sein bisheriges Leben an sich vorbeiziehen. Sitzmann zieht ein Resümee und vermittelt den Leserinnen und Lesern auf charmante Weise, wie positiv und lebenswert das Leben - auch mit Behinderung - ist, und über welche Dinge es lohnt, intensiver nachzudenken.

Autorenportrait

Florian Sitzmann, geboren 1976, hat nach einem schweren Motorrad-Unfall 1992 beide Beine verloren. 1999 schließt er eine kaufmännische Ausbildung ab. Im Jahr 2002 startet er eine international erfolgreiche Karriere als Leistungssportler im Handbiken. Seine positive Art, seinen Lebenswillen und seine Lebenserfahrung versucht er in verschiedenen Projekten an Menschen weiterzugeben, die sich in ähnlich schwierigen Lebenslagen befinden. Aus diesen Projekten entsteht eine immer größer werdende Vernetzung mit Gleichgesinnten, die wie Florian Sitzmann etwas bewegen wollen. Sein Buch "Der halbe Mann - Dem Leben Beine machen" über die ersten Jahre nach seinem Unfall ist bereits in der 5. Auflage und wurde mehr als 12.000 mal verkauft.

Leseprobe

17 Jahre ist es jetzt her. Spätsommer 1992. Ein verregneter Tag in einem heißen Monat. Und ich gerade noch 15 Jahre alt. 2,04 Meter groß. Heute bin ich die Hälfte. Ein halber Mann. Ein Sitzmann. Namen sind Programm.Über die Autobahn fahren. Nicht rasen, aber zügig fahren. Oder über Landstraßen cruisen. Dann kann ich am besten nachdenken. Meine Gedanken fließen mit der Leitplanke. Immer dort, wo sie unterbrochen ist, zerbeult, oder Bremsspuren zu sehen sind, da weiß ich, es ist etwas passiert. Das berührt mich immer noch. An jedem Unfall, den ich mitbekomme, ist auch ein Teil von mir mitbeteiligt.Ich setze mich ins Auto, lege eine von Xaviers Platten auf und fahre los. Das Fahren und die Musik bringen meine Gedanken in Bewegung. Ich erzähle mir selbst mein Leben. Blicke zurück, nach vorne und schalte den Blinker ein. Hindernisse gibt es immer. Und überall. Heute nicht mehr und nicht weniger als damals.Damals heißt im Klartext: in der Welt auf zwei Beinen.Heute heißt im Klartext: im Rollstuhl."Herr Sitzmann, was klappt in Ihrem jetzigen Leben nicht mehr so gut?", werde ich oft gefragt, und ich antworte:"Treppensteigen." "Ist Ihr Name echt?" Skurrilerweise ja!Und: "Herr Sitzmann, und was vermissen Sie am meisten?" "Im Stehen vögeln", sage ich und lache laut, damit die anderen es sich auch erlauben können. Das Lachen.Ich bin unterwegs. Will einen Freund besuchen und muss wieder einmal an ihr vorbei: an der Raststätte, die meine Beine gefressen hat. Wieder einmal mache ich halt. Nicht, weil ich trauern will, sondern weil ich Hunger habe. Es liegt Schnee, viele LKW stehen hier, und ich höre die Aggregate brummen. Die Raststätte ist innen weiß getüncht, und an einem der Tische sitzt ein Mann, der Jägerschnitzel mit Kroketten isst. Alles ist ganz normal, bis auf die Tatsache, dass ich keine Beine habe. Die Blicke folgen mir verschämt. Kenne ich schon, und meinen Hunger beeindrucken Blicke nicht. Verschämte schon gar nicht. Ich ziele die Theke an."Bratwurst mit Pommes ohne Ketchup." Auch Männer ohne Beine essen gern.Viel Leuchtreklame in Rot ist hier zu sehen. Bin ich hier im Rotlichtmilieu gelandet? Klirrende Kälte, die die Brummifahrer zu den Türen hereintreibt. Von irgendwo steigen Nebelschwaden auf.Das könnte hier eine gute Location für den Anfang eines guten Krimis sein, denke ich Bratwurst essend und schaue aus dem Fenster zu meinem Auto hin. Es wartet auf mich auf dem Behindertenparkplatz. Kein anderer Wagen weit und breit. Kein gutes Gelände heute, weder für Rollstuhlfahrer noch für Menschen, die auf Füßen gehen. Es ist alles vereist. 10-15 cm Schnee. Ein Wunder, dass ich nicht auf die Fresse gefallen bin.Die Raststätte war früher ein Treffpunkt für Lastwagen aus aller Herren Länder. Deswegen war auch damals mein Lastwagenfahrer da. Vielleicht hielt er an, um Bratwurst zu essen - mit Pommes ohne Ketchup. Und dann wollte er weiter, aber Stefan und ich waren ihm im Weg. Und dann nur noch ich. Und dann nur noch meine Beine. Mein Lastwagen kam aus Norddeutschland. Das ist lange her. Die Hälfte meines Lebens. Es macht mir nichts aus, davon zu erzählen oder darüber nachzudenken. Viel Gutes ist seitdem passiert. Diese Raststätte, hier, ist für mich nichts anderes als der Parkplatz, an dem ein neues Leben für mich begann.Während ich meine Pommes nachsalze, verfolgen meine Augen das Abendprogramm, das stumm aus dem Fernseher rieselt, der unter der Decke hängt. Das Ganze unterlegt mit einer Tonspur aus dem Radio. Ich hab das noch nie begriffen, warum in Kneipen Fernseher laufen, obwohl ihr Ton abgeschaltet ist.Jetzt ist ein älteres Ehepaar hereingekommen, das auch Schnitzel mit Pommes essen will. Sie nicken zu mir herüber und ich lächle zurück. Niemand sieht, dass ich keine Beine habe. Meine fehlenden Füße sind unter dem Tisch und da schaut niemand mehr hin, der in mein lachendes Gesicht geschaut hat. Die meisten Menschen kommen nicht einmal auf die Idee, dass ich so schwer behindert bin. Wo ich doch so offen lachen kann.Ich muss mal auf Leseprobe
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